Was Soziale Arbeit von der Kampfkunst lernen kann…

Bereits jetzt könnte ich mich in den Allerwertesten beißen, dass ich dieses Fass hier mit der Überschrift aufgemacht habe –  aber ich will es mir jetzt nicht einfach machen, deshalb versuche ich jetzt mal ein paar Gedanken zu formulieren und lehne mich etwas aus der Comfort Zone…

Wer mag, darf sich beim Lesen die Musik anhören, die ich beim Schreiben gerade höre: https://www.youtube.com/watch?v=3uQAzmIQIIc

Bereits im Studium kam ich mit Pekiti Tirsia Kali, Tai Chi und Qui Gon in Berührung und schon damals erschienen mir die Motive der Systemtheorie irgendwie sehr nah an den Motiven oder der „Lehre“ der Kampfkünste, die sich mit durchaus unliebsamen Formen von Kommunikation bzw. Konflikten befassen – letztendlich geht es ja um Fragen und Konsequenzen, die das Phänomen Gewalt mit sich führt. Mir ist es in der Regel allerdings lieber, das v.a. auf den Umgang mit Konflikten anzuwenden. Bekannte, Freunde und Lehrer haben sich noch mit anderen Kampfkünsten, wie z.B. Wing Tsun, Aikido oder Jiu Jitsu befasst und ich meine, dort ähnlich Motive zu entdecken.

Die eigentlichen Prinzipien von Strategie und Taktik und der Kern der einzelnen Disziplinen sind dabei recht abstrakt und erschließen sich nur durch kostantes Üben. Ich verweise dabei gerne auf „Zen in der Kunst des kampflosen Kampfes“ von Takuan oder „Wahrhaft siegt, der nicht kämpft“ von Sun Tsu, die m.E. noch am Ehesten in Worten beschreiben, welche Komplexität in den Disziplinen steckt.

Worüber ich allerdings besonders gerne meditiere und dabei lerne, lerne, lerne:

1. Wenn Du die Auseinandersetzung vermeiden kannst, dann vermeide sie. Es geht nicht um Ehre, Gewinnen oder Verlieren. Es geht darum gesund und am Leben zu bleiben. In die Auseinandersetzung gehst Du nur, wenn Du nicht flüchten oder ausweichen kannst oder wenn Freunde, Familie und Schutzbefohlene in Gefahr sind.

2. Es ist wichtig, dass Du Dich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Konzentriere Dich auf Dich, Deine Fähigkeiten, welche Hilfsmittel und Ressourcen Du einsetzen kannst. Konzentriere Dich nicht allzusehr auf Dein Gegenüber im Konflikt. Du kannst nur mit dem arbeiten, was Du hast.

3. Suche den Kontakt zum Gegenüber. Nur im Kontakt kannst Du spüren, wie sich der andere bewegt, wo seine Kraft hingeht, welche Impulse er setzt. Wenn Du seine Kraft spürst, setze Deine Kraft nicht dagegen, sonst verstärkst Du seinen Impuls.

4. Achte auf Deinen Standpunkt und auf Deine Balance. Gehe aus den Angriffen Deines Gegenübers heraus und lasse sie an Dir vorbei gehen. Nehme den Standpunkt ein, der Dir die Möglichkeit gibt, Deine Ideen zu verwirklichen.

5. Webe Dein Netz in die Bewegungen Deines Gegenübers – im Idealfall bewegt sich Dein Gegenüber so wie Du es willst. Wenn sich die Gelegenheit bietet, beende die Auseinandersetzung, indem Du ihm die Möglichkeit zum Angriff nimmst – oder Du kannst die Auseinandersetzung verlassen (siehe 1.).

Meine Erfahrung ist, dass der berufliche Alltag von großen bis kleinen Konflikten durchzogen ist – im Kollegenkreis, mit den Adressaten unserer Arbeit, mit Kooperationspartnern, Geldgebern oder Auftraggebern. Als Profession ist die Soziale Arbeit m.E. anfällig dafür, diese Konflikte im Streben nach Harmonie oder reibungslosen oder fairen Strukturen und Prozessen auszublenden oder klein zu reden – mitunter auch um den Preis, dass sie ihre Identität vernachlässigt oder zu sehr an externen Kontexten festmacht (siehe auch die Frage nach der Eigenständigkeit von Herrn Eger). Meine Erfahrung ist auch, dass es sich durchaus anbietet, Konflikte gezielt einzugehen, um nach einer Klärung zu streben – eine Eskalation zu suchen, um die Wahrscheinlichkeit einer größeren Eskalation zu verringern. Ob ich damit (immer) richtig liege? Vermutlich nein…

 

Antifragilität

Jetzt hat man sich einmal in seinem Theoriegebäude die verschiedenen Zimmer schön eingerichtet: Systemischer Salon mit gemütlichem Kamin und psychedelischem Teppich (handgewebt natürlich), Meditationsecke hier und ein wenig Platz für Kampfkunstübungen da, konstruktivistischer Garten hinterm Haus, postmoderne Küche, irgendwo fliegt sogar der Geist von Rupert Sheldrake herum, usw.

Von hier aus macht es richtig Spaß an die Arbeit zu gehen.

Man hat sich mit den Jahren eingelebt, fühlt sich zudem darin wohl – schließlich steht alles so an seinem Platz, dass man sich auch im Dunklen ganz gut zurecht findet, ohne sich fies das Schienbein zu stoßen. Kurz und gut: man ist auch etwas konservativ im Denken geworden. Und in so einer Situation kommt es recht selten vor, dass einem ein neuer Einrichtungsgegenstand ins Auge fällt, der das Interesse weckt, der vielleicht auch für ein neues Thema steht. Man fragt sich: Lohnt sich die Investition? Kann ich? Soll ich? Anbauen? Umräumen? Muss altes Zeug auf den Sperrmüll?

Der Begriff, der mir in der letzten Zeit nicht aus dem Kopf geht, lautet Antifragilität. Geprägt hat ihn ein gewisser Nassim Taleb.

Aufmerksam auf ihn geworden bin ich in einer Ausgabe von Scobel im Dezember. Die Sendung hat sich mit Spieltheorie befasst:  http://www.3sat.de/mediathek/index.php?mode=play&obj=48215

So wie es aussieht, werde ich mir das Büchlein mit dem gleichnamigen Titel mal zu Gemüte führen. Kennt das bereits jemand hier?

Update: Habe es mir gerade bestellt – ich werde Sie hier auf dem Laufen halten…

Sind Organisationen Sozialer Arbeit autonom in ihrer Entscheidungsfindung ?

Organisationen Sozialer Arbeit orientieren sich (wie andere Organisationen auch) in ihrer Entscheidungsfindung an ihren systeminternen Erwartungen. So ist es kein Wunder, dass bisherige Untersuchungen (Schrapper u. a. 1997) bspw. zu Entscheidungen der Jugendämter bei Hilfen zur Erziehung darauf verweisen, dass es die Haltungen der Organisation Jugendamt sind, die abschließend darüber entscheiden, ob ein Kind ambulant, teilstationär oder stationär betreut wird.
Auf der anderen Seite bestehen Kopplungen zu Organisationen anderer Teilsysteme, bspw. der Medizin, Politik usw.
Ich frage mich (hier ein Beitrag von Frank Eger) ob aufgrund der (Definitions-) Macht von Politik und Medizin davon ausgegangen werden kann, dass Jugendämter tatsächlich autonom entscheiden.

 

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